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Tabuthema Trauer: Ach wie gut, dass niemand weiß …

Trauer passt nicht in unsere Gesellschaft. Sie ist unangenehm und möge doch bitte schnell und lautlos vorübergehen, damit die Tagesordnung wiederhergestellt werden kann. So ist es kein Wunder, dass sich viele Trauernde ausgeschlossen, alleingelassen und unverstanden fühlen. Gefühle und Gedanken bleiben im Verborgenen. Nach außen stark – doch innerlich zerbrochen.


Trauernde schlängeln sich um die Spielregeln unserer Gesellschaft und entwickeln ihr – wie ich es nenne – Geheimes Trauerverhalten. Heute lüfte ich ein paar meiner Geheimnisse aus meiner Trauerzeit.


Zeigefinger liegt auf den Lippen
Tabuthema Trauer

Ach wie gut, dass niemand weiß ...

..., dass ich meine Trauer unterdrückte, sobald ich meine Wohnung verließ.

„Augen zu und durch“ war meine Devise. Ich nahm an, dass meine Trauer irgendwann weggehen würde. Bloß nicht so genau hinschauen, dann wird’s schon gehen. Ich kam gar nicht auf die Idee, mir Unterstützung in Form einer Trauerbegleitung zu suchen oder mich einer Trauergruppe anzuschließen. Ich behielt meine Trauer weitestgehend für mich. Insbesondere im beruflichen Alltag gestand ich ihr keinen Platz zu.


Ich versuchte auf Teufel komm raus, mir ein Stück Normalität zu bewahren. Mein Arbeitsplatz sollte ein Ort sein, an dem das Leben so funktionierte wie vor meinem Verlust. An dem ICH so funktionierte wie vor meinem Verlust.


…, dass ich so gut wie nix auf die Reihe bekam.


Wie zu erwarten, ging mein Plan nicht auf. Der Arbeitsalltag drehte sich weiter. Nur ich drehte mich nicht mit. Dinge, die ich sonst im Schlaf erledigte, kosteten mich unendlich viel Kraft. Ich weiß nicht, wie lange ich an manchen Tagen abwesend ins Leere starrte. Ich machte Fehler, war langsam und abends erschöpft wie noch nie.

Meine ganze Energie ging dafür drauf, meine Trauer kleinzuhalten. Diesen Kampf konnte ich nur verlieren. Die Trauer suchte sich ihren Weg, beanspruchte ihren Raum – ob ich wollte oder nicht.


…, dass ich daheim kleine und größere Zusammenbrüche erlebte.


Meine Trauergefühle brodelten über den Tag hoch. Ich hatte Mühe, sie unter Verschluss zu halten, bis ich daheim war. Der Weg vom Büro nach Hause schien unendlich weit zu sein. Der Druck auf der Brust wurde immer größer. Die Gefühle hatten so eine enorme Energie! Manchmal dachte ich, sie würden sich jeden Moment explosionsartig entladen. Manchmal dachte ich, das würde ich nicht überleben.


„Bloß nicht zusammenbrechen!“, hämmerte es in meinem Kopf Sobald ich die Wohnungstür hinter mir geschlossen hatte, sackte ich auf dem Boden zusammen. Ich weinte heftig, schrie in ein Kissen und ließ raus, was ich den ganzen Tag unterdrückt hatte, bis ich ganz leer war und um mich alles dumpf.


…, dass ich mich viele Nächte in den Schlaf weinte.

Ich wollte nur noch schlafen, nichts mitbekommen. So lange schlafen, bis dieses beschissene Gefühl weg war. Nachts wachte ich immer wieder auf. Manchmal war dann für den Bruchteil einer Sekunde meine Welt in Ordnung.


Dann durchzuckte es mich und die Realität traf mich wie ein Schlag. Die Tränen rollten, der Schmerz war wieder da, ich verkroch mich unter meine Decke und schlief irgendwann vor Erschöpfung ein.


…, dass es noch immer Tage gibt, an denen mich meine Trauer umwirft.


Nur weil der Todestag immer weiter in die Vergangenheit rückt, heißt es noch lange nicht, dass es meine Trauer auch tut. Sie ist nicht mehr jeden Tag spürbar und bestimmt nicht mehr meinen Alltag. Und doch weiß ich, dass sie da ist. Sie ist ein Teil von mir, den ich akzeptiert habe. Und damit wurde es leichter. Manchmal zeigt sich meine Trauer dezent: getriggert von einem Geruch, einem Gedanken, einem Traum. Und manchmal schlägt sie aus dem Nichts knallhart zu und haut mich um wie eine heftige Welle. Ich verspüre den Schmerz dann so intensiv wie in den ersten Wochen. Aber jetzt bleibt er nicht mehr lange. Wie eine Welle flacht er wieder ab.


Ach wie gut, dass ich nun weiß … …, dass ich eine Wahl habe.


Inzwischen sind über vier Jahre vergangen. Ich habe die schwerste Zeit meiner Trauer hinter mir. Ich habe diese Zeit überlebt. Jetzt lebe ich mit der Trauer, habe keine Angst mehr und nehme jede Trauerwelle so, wie sie kommt. Ich habe gelernt, die Gefühle zuzulassen und auszuhalten.


Und vor allem habe ich gelernt, dass ich meine Trauer nicht für mich behalten muss. Ich habe gelernt, darüber zu reden, und ich habe gelernt, dass ich mir Zeit für mich nehmen darf, wenn ich sie brauche.


Ich muss nicht funktionieren und das Spiel der Gesellschaft mitspielen. Meine Trauer wird deshalb nicht weniger schmerzhaft. Aber sie wird an manchen Tagen etwas erträglicher, weil ich ihr Raum gebe und sie nicht mit aller Macht unterdrücke.


Ich darf trauern! Ich darf mich zurückziehen, mir eine Auszeit vom Job nehmen, mir Unterstützung holen, über meine Trauer reden, meine Gefühle offen zeigen.


Meine Trauer darf sichtbar und spürbar sein!


Deine Trauer darf sichtbar und spürbar sein!

 

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