Es ist Anfang Oktober und ich reise abgespannt, gestresst und leicht erkältet zu meiner ersten Fastenwoche. Ich erlebe eine Woche Natur pur. Eine Woche ohne feste Nahrung, ohne Ablenkung, ohne Aufgaben, ohne Stadtlärm. Eine Woche Zeit nur für mich. Eine Woche jeden Tag Bewegung an der frischen Luft, Ruhephasen und Sauna. Ich reise erholt und in mir ruhend ab. Aber von vorn …
Im Moment ist mir alles zu viel
Die Auszeit kommt keinen Tag zu früh. Bei voller Fahrt stelle ich meinen Fuß aus dem Hamsterrad und halte es ruckartig an. Schon seit einigen Tagen merke ich, wie mir alles über den Kopf wächst. Ich versuche, alle Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten: Noch-Job, Zukunftsplanung, Alltag. Kann doch nicht so schwer sein, oder?
Ich spüre, dass ich an meine Grenze stoße. Ich bin unruhig, den Tränen immer wieder nahe und stehe unter Strom.
Sport machen, mir Zeit für mich nehmen, mal ausruhen, lesen, spazieren gehen – selbst Dinge, die ich liebe, spule ich wie ein Programm pflichtbewusst ab und kann sie gar nicht genießen. Ich hetze durch meine täglichen Aufgaben und Termine, und so langsam geht mir die Energie aus. Ich sehe kein Land mehr, und vor allem sehe und spüre ich mich nicht mehr.
Warum möchte ich fasten?
Als ich mich fürs Fastenwandern entscheide, ist meine Intention dahinter, etwas Neues kennenzulernen, mich auszuprobieren, schauen, ob ich damit zurechtkomme – und natürlich raus aus dem Alltag zu sein und rein in die Natur. Ich bin neugierig darauf zu erleben, was es mit mir macht, wenn ich meinem Körper – meinem Stoffwechsel – Ruhe gönne. Der Klassiker eben: Ich verlasse meine Komfortzone, um daran zu wachsen.
Ins Gepäck habe ich nach den vergangenen stressigen Tagen neben der eigentlichen Intention noch den Wunsch nach Mich-wieder-spüren gepackt. Finde ich im beschaulichen Himmelpfort in Brandenburg zurück zu mir? Auf geht’s in mein erstes Fastenerlebnis. In einer Gruppe faste ich nach Buchinger unter den Fittichen der Fastenleiterin Carina Teutenberg von SunnySide Fasten.
Eine Woche ohne feste Nahrung – und doch körperlich auftanken
Zugegeben, ich habe mir zuvor nicht allzu viele Gedanken gemacht, mich nicht tiefergehend belesen, mir nicht ausgemalt, wie es sein wird, so gut wie nichts zu essen. Ich habe einfach ein gutes Gefühl, lasse die Woche auf mich zukommen und bin im Vertrauen, dass sie mir ganz viel geben wird. Mein Bedürfnis nach einer Auszeit, nach Aufatmen und Durchatmen, nach Zeit nur für mich ist gerade riesig.
Ganz ehrlich, würde ich daheim fasten, ohne Anleitung, ohne Gruppe, mit all den kulinarischen Versuchungen vor der Haustür … ich würde keine zwei Tage durchhalten. Aber hier in der Gruppe, wo ich mich um nichts kümmern muss, mit der täglichen Bewegung, den leckeren Säften morgens und den abwechslungsreichen Gemüsebrühen abends, halte ich gut durch. Tiefs habe ich auch, klar. Dank der Gemeinschaft komme ich aber auch da durch.
Ich möchte es nicht schönreden: Fasten ist kein Spaziergang. Mein Magen meldet sich mal lauter, mal leiser, und an Tag 6 merke ich deutlich, dass es genug ist. Wieder eine Grenze entdeckt. Aber ich halte durch. Und darauf bin ich verdammt stolz!
Ich bin überrascht, dass ich die Energie habe für den täglichen Frühsport, für die Wanderungen, für Yoga, sogar für eine kleine Radtour und eine Joggingrunde um den See. Ich genieße abends die Saune und kuschele mich danach ins Bett, um zufrieden und entspannt einzuschlafen.
Eine Woche Natur pur – entspannte Seele, entspannter Geist
Ich gönne mir eine Massage und ich gönne mir mal wieder ein gutes Buch. Ich sitze auf dem Steg am See in der Sonne und träume vor mich hin – lasse meine Gedanken fließen. Was für ein Kraftort!
Dazu muss ich erzählen, dass ich mich vor einigen Wochen für eine Veränderung in meinem beruflichen Leben entschieden habe. Dieser Umbruch steht für den Jahreswechsel an. Puh, Umbruch! Klingt hochtrabend.
Und wie ich hier so auf dem Steg sitze, übers Wasser blicke, die wärmenden Strahlen der Sonne auf meinem Rücken, stelle ich fest: es steht die falsche Überschrift über dem nächsten Kapitel in meinem Leben. Es geht gar nicht um die berufliche Veränderung, um einen Umbruch in meinem beruflichen Lebenslauf. Es geht darum, mir zwei Fragen neu zu stellen und neu zu beantworten: „Wer bin ich?“ und „Was macht mich glücklich?“
Diese zwei Fragen begleiten mich durch meine Fastenwoche. Ich nehme sie mir immer wieder hervor, schreibe auf, was mir dazu einfällt, stelle Denkmuster, festgefahrene Routinen und Strukturen, nächste Schritte infrage. Mit diesen beiden Fragen gehe ich an meine Basis.
Ich streiche Fragen, von denen ich dachte, dass sie relevant seien. Ich priorisiere neu, lasse Gedanken los, die mich lange beschäftigt haben, verabschiede mich von Erwartungen an mich selbst und freunde mich mit dem Gedanken an, dass ich es nicht allen recht machen kann und schon gar nicht muss.
Kleine Auszeiten im Alltag – einfach mal anhalten
Am Ende der Woche fühle ich mich leicht und wach. Ich habe eine Ausnahmezeit durchlebt, ein ganz neues Körpergefühl erlangt, Knoten entwirrt und zurück zu mir gefunden. Mir hat diese Woche einmal mehr verdeutlich, was mir guttut, was ich liebe, was mir wichtig ist, aber auch, was ich nicht mehr brauche.
Wie die meisten von uns kann ich nicht mal eben eine Woche verschwinden, wenn mir danach ist. Was mir diese Fastenwoche aber gezeigt hat … auch wenn ich meine Wohlfühlrituale gut etabliert habe … es kann passieren, dass sie zu kurz kommen, dass mich der Alltag überrollt, ich in Aufgaben versinke, mich selbst unter Druck setze und mich in dem Trubel vergesse.
Ich habe angehalten. Das geht nicht immer gleich für eine ganze Woche. Aber was geht – hin und wieder den Fuß ganz fest außerhalb vom Hamsterrad aufstellen und für einen Moment anhalten.
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